Wenn bei uns im Norden jemand „Viech“ genannt wird, ist das ein großes Kompliment. Solcheinwelcher ist nicht nur ein echter Freund, er steckt auch voller Geschichten, Wissen, Überraschungen und Humor.
Andreas Langholz
Mein Freund Skip ist ein Viech.
Er wurde 1940 in Zehlendorf geboren, mitten in den Krieg hinein. Er kam zur Oma nach Thüringen. Sie arbeitete in einer Glashütte und brachte dem kleinen Skip bei, wie man Glasknöpfe bemalt. Möglicherweise hat Oma damit Skips künstlerisches Fundament gegossen …
„Malt mir die Windflüchter“, lautete die Aufgabenstellung des Kunstlehrers Prof. Nabel. Er meinte damit Bäume, die sich im Sturm biegen. Skip musste an die Tafel.
„Ich hab mit großem Schwung losgelegt, ein Glücksmoment“, sagt Skip. Der Lehrer staunte und ahnte. Und wann immer Zeit war, nahm er den kleinen Skip zum Zeichnen mit.
Im letzten Jahr hat Skip eine Ausstellung mit „Die sieben Raben“ betitelt. So erfuhr ich, dass damit die Menschen, sieben an der Zahl, gemeint sind, die Skip im Laufe seines Lebens beeinflussten, ihm Wege aufzeigten oder umleiteten, zu Freunden wurden. Prof. Nabel war der Erste.
Während Skip die Handelsschule besuchte – man muss ja was Ordentliches lernen - interessierte ihn am meisten ein Praktikum in einer Farbenfabrik. “Ich musste Tuben und Eimer auswaschen, durfte aber auch Farben herstellen und lernte Sachen, die heute kaum noch einer weiß“.
Und dann kam dieser Kinobesuch. Skip sah einen Kurzfilm darüber, wie man Trickfilme macht – das Ende einer Handelskarriere! Er bewarb sich bei Ernie Loeser, einem Engländer, der in Berlin eine kleine Zeichentrickproduktion betrieb. Skip wurde Trickfilmzeichner, sie bekam so manche Auszeichnung. „Ernie ist mein zweiter Rabe“, sagt Skip, dem man anmerkt, dass er sich mit Vergnügen an diese Zeit erinnert.
Übrigens hieß er da noch anders, denn erst an seinem 18. Geburtstag erklärte er seinen Eltern: „Das Schiff verlässt jetzt den Hafen und ich heiße ab sofort Skip“ (und selbst wenn ihr mich würgt, foltert, bestecht ... ich weiß nicht, welcher Name auf seiner Geburtsurkunde stand).
Die Trickfilmbude war in Prenzlauer Berg, wo Skip auch wohnte. In der Marienburger Straße gab es damals einen Boxstall. Skip hatte seinen Sport gefunden.
„Boxen ist wie tanzen“, erklärt er. Seinen ersten Punktkampf gewann er locker, der Gegner trat nicht an. „Dann machen wir einen Schaukampf, ich hab die Handschuhe doch schon an!“ Zack, paff, so kam Skip zu seiner Nase, von der er behauptet, sie habe die perfekte Form, um sie überall reinzustecken … Das tut Skip heute noch. Legendär sind seine kleinen Neujahrskarten, die er guten Freunden zum Jahresbeginn überreicht. Immer mit einer Zeichnung, die es genauso in sich hat wie Skip’s Anmerkungen zum abgelaufenen und sein Ausblick auf das neue Jahr. Skip ist ein sehr politischer Mensch, allerdings passt er in keine Schublade und hat sich auch nie in eine stecken lassen, egal wie sehr gedrückt wurde.
Als Herr Ulbricht beschloss, sein Volk durch eine Mauer zu schützen, war Skip das egal. „Was die da machen, interessiert mich nicht. Ich bin da, wo meine Freunde sind.“
Und davon gab es 1961 schon eine ganze Menge. Skip kümmerte sich um das Kulturhaus Erich Franz, eine Immobilie in der Kastanienallee, die wir heute als Prater kennen. Er erfand die Veranstaltungsreihe ‚Lyrik & Jazz‘, „wir haben immer um 21.00 angefangen, dadurch haben wir automatisch die Leute rausgefiltert, die vor der Glotze sitzen“, erinnert sich Skip. Und auch an den Schriftsteller Peter Hacks, der lieber stehend lesen wollte, im Sitzen sähe er aus wie Karl Eduard von Schnitzler …
Gegenüber machte Skip dann die Prater Galerie auf. Seine erste Ausstellung hieß ‚Problemausstellung Nr.1‘. Die ‚Westpresse‘ berichtete ausführlich und Skip musste der Verdacht schöpfenden Obrigkeit erklären: Dies ist eine Private Galerie!
Heute ist Skip’s Hauptquartier in der Lehder Straße 74 in Weißensee. Ein wunderschöner Ort voller Kunst. Schau mal rein, wenn du in der Nähe bist! In den Jahren produzierte Skip auch fleißig Kunst. Als er in der Turmgalerie am Frankfurter Tor Fotomontagen sah, deren Herstellungstechnik er für seine Erfindung hielt, ließ er nicht locker, bis er José Renau kennenlernte. Sie wurden dicke Freunde, hatten einige Jahre ein gemeinsames Atelier und produzierten zusammen. Ich glaube, Renau ist Skip’s wichtigster Rabe.
Mittlerweile hatte Skip ein weiteres Feld für sich entdeckt: Fassaden. Je größer, desto besser. Er wurde im Ostberliner Stadtbild zum Exoten zwischen sozialistischer Einheitskunst.
Ein Auftrag im Staatsratsgebäude: („Du bist teuer“, „Nein, ich bin gut.“) führte dazu, dass man Skip die künstlerische Bauleitung für den Palast der Republik übertrug. Und als die Künstler drei Eimer Caparol aus dem Westen brauchten, wurden sie natürlich beschafft, Kurt Masur hatte sie im Handgepäck. Siegfried Krepp und Fritz Crämer, beides Raben, arbeiteten mit Skip an den Projekten. Letzterer hat mal eine Skulptur von Skip ‚die Liebenden‘ kritisiert. Sie sei wohl noch nicht fertig. Skip's Antwort: „Liebende sind nie fertig".